Der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Berlin fordert, dass Benachteiligungen für Menschen mit Migrationsgeschichte beim Zugang zu sozialen Leistungen erkannt und abgebaut werden müssen. Dazu gehören bei Inanspruchnahme von sozialen Infrastrukturen die umfassende Einbeziehung von Dolmetschleistungen, der Abbau von Sprachbarrieren sowie eine Verbesserung der digitalen Teilhabe.
Als Wohlfahrtsverband arbeitet die Berliner AWO u. a. mit Menschen mit Migrationsgeschichte. Obwohl gut ein Jahr nach Inkrafttreten des Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz die große Klagewelle ausblieb, sieht die Berliner AWO eine strukturell angelegte Benachteiligung großer Bevölkerungsgruppen in Berliner Behörden. „Unsere Mitarbeiter*innen und Ehrenamtlichen, vor allem in den Beratungsstellen, erleben täglich, dass vielen Menschen der Zugang zu sozialen Leistungen und damit die Wahrnehmung ihrer Rechte erschwert und oftmals sogar verwehrt wird“, mahnt Oliver Bürgel, Geschäftsführer des AWO Landesverband Berlin.
Bis heute wird in der öffentlichen Verwaltung überwiegend auf Deutsch als Amtssprache verwiesen. Eine umfassende Beratung für Menschen mit eingeschränkten Deutschkenntnissen ist oftmals nur unter Einbeziehung eines Dolmetschenden möglich. Dolmetschleistungen müssen jedoch in vielen Diensten langfristig angemeldet und geplant werden, teilweise werden sie gänzlich vorenthalten. Kurzfristige Termine können so in vielen Diensten nicht wahrgenommen werden. Ausfüllhilfen sind selten und meist nur deutschsprachig vorhanden. „Menschen mit eingeschränkten Deutschkenntnissen sind daher weniger über die eigenen Rechtsansprüche informiert als deutschsprachige Mitbürger*innen. Integrationslots*innen können den steigenden Bedarf kaum decken“, so Bürgel. Mitarbeitende in den AWO-Migrationsberatungsstellen berichten von der Tendenz zur rechtssicheren Sprache, insbesondere in Jobcentern. Diese behindert die Verständlichkeit und Kommunikation zusätzlich. Eine Umfrage[1] aus dem Frühjahr 2021 der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, legt außerdem nahe, dass sogar Leistungen aufgrund von Diskriminierungen verwehrt werden.
Diese Hürden führen dazu, dass Menschen mit Migrationsgeschichte die Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Sie sind so weitreichenden finanziellen und sozialen Nachteilen ausgesetzt. Das Versäumen von Fristen etwa kann existenzbedrohende Folgen haben: Leistungen entfallen, Aufenthaltsansprüche verstreichen oder Mieten können nicht gezahlt werden. „Als Berliner AWO fordern wir, dass die strukturelle Benachteiligung von Menschen mit Migrationsgeschichte beim Zugang zu sozialen Leistungen beendet werden muss! Alle in Berlin lebenden Menschen müssen die gleichen Chancen zur Durchsetzung ihrer sozialen Rechte bekommen. Dafür müssen in der öffentlichen Verwaltung Dolmetscher*innen in Fremd- und Gebärdensprache umfassend einbezogen werden und Angebote barrierefrei, mehrsprachig sowie in Leichter Sprache zur Verfügung stehen. Digitale Teilhabe ist Teil des sozialen Existenzminimums. Notwendige Endgeräte und Internetzugang müssen für Menschen, die Transferleistungen beziehen sichergestellt werden“, so Bürgel.
[1] https://www.bagfw.de/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/detail/bagfw-fordert-diskriminierungsfreien-zugang-zu-sozialleistungen-fuer-eu-buerger-innen